Die gruselige Kulisse des Heiligabends 1944 bereitet die Bühne für die „Mitternachtsmesse“ (Polnočná omša), eine Meisterklasse des psychologischen Kriegsdramas. In einer Zeit, in der die Slowakei von der Brutalität der Nazi-Unterdrückung erfasst wird und unzählige unschuldige Menschen, darunter auch Kinder, unter dem Deckmantel der Vergeltung für die Teilnahme am Slowakischen Nationalaufstand oder bloße Unterstützung von Partisanen ihr Leben lassen, taucht die Geschichte tief in die alltäglichen Prüfungen des Überlebens ein während des Krieges.
Im Mittelpunkt steht die Familie Kubiš, Sinnbild einer Slowakei, die zwischen Widerstand und Kollaboration hin- und hergerissen ist. Marián, ein Kommandeur der faschistischen Garde, repräsentiert einen Teil der Gesellschaft, der sich der Zusammenarbeit als Mittel zur Selbsterhaltung zuwandte. Sein opportunistischer Schwager Paľo, der sich unbedingt von der Politik distanzieren möchte, findet Trost im Geschäft, während Paľos Frau Angela eine Affäre mit dem Nazi-Major Brecker, einem Mieter im Kubiš-Haushalt, eingeht. Die eigentliche Gefahr für die Familie Kubiš ist jedoch der junge Juraj, ein ehemaliger Partisan, der nur knapp der Hinrichtung entgangen ist. Während die Nazis ihre Haus-zu-Haus-Durchsuchungen intensivieren, liegt Juraj versteckt auf dem Dachboden und kämpft mit Wunden und Delirium, während unten die Fassade eines „perfekten“ Weihnachtsessens entsteht, bei dem der ganz große Major ihn als Gast verfolgt.
Der tschechische Regisseur Jiří Krejčík erarbeitet akribisch eine Geschichte, nicht nur über den Krieg, sondern über die menschliche Natur selbst. Es fasst die Dichotomien der slowakischen Gesellschaft jener Zeit zusammen: Zusammenarbeit versus Widerstand, Lokal versus Ausländisch, Säkular versus Religiös. Und in diesem Schmelztiegel sind die Charaktere gezwungen, zu interagieren, ihre tief verwurzelten Überzeugungen in Frage zu stellen und manchmal sogar zu verraten. Auch der Segen der Kirche, der oft als bedingungslos angesehen wird, wird einer scharfen Prüfung unterzogen und stellt die Frage in Frage, welche Anstrengungen die Institutionen unternehmen würden, um ihre Heiligkeit zu bewahren.
Die erschreckenden Bilder schneebedeckter Landschaften dienen als Metaphern für die Kälte und Distanz zwischen Individuen sowie die kalte Realität des Krieges. Die Kraft des Films ist so groß, dass er sein Publikum oft dazu zwingt, sich selbst zuzuflüstern: „Es ist nur ein Film.“ Allerdings ist die emotionale Kraft deutlich spürbar, insbesondere in den Eröffnungsszenen, in denen die rohe Brutalität des Krieges mit herzzerreißender Authentizität zur Schau gestellt wird. Der starke Kontrast zwischen dem Alltäglichen und dem Monströsen erinnert eindringlich an die Schrecken des Krieges und die moralischen Dilemmata, mit denen gewöhnliche Menschen konfrontiert sind.
„Midnight Mass“, ein gemeinsames Projekt tschechischer und slowakischer Filmemacher, ist ein außergewöhnliches Stück Kino. Es ist eine ergreifende Erinnerung an den Preis des Überlebens, die Kosten des Verrats und das Wesen menschlicher Werte angesichts extremer Umstände. Der Film wirft eindringliche Fragen auf: Wie wertvoll ist das Leben? Ist es einen Verrat wert? Und wem kann man in einer Welt voller Aufruhr wirklich vertrauen?