Ústavní soud ČR: strážce ústavy nad politikou nebo v politice? – Ondřejková Jana (2020)

Alexis de Tocqueville beobachtete bereits am Beispiel der USA, dass in einem demokratischen Staat, dessen politisches und verfassungsrechtliches System auf den Prinzipien des modernen Konstitutionalismus beruht, kaum eine politische Frage nicht früher oder später zu einer juristischen Frage wird. 180 Jahre später ist die „Verurteilung“ politischer Fragen und der Politik ein Phänomen, das in der gesamten westlichen Welt, einschließlich Tschechiens, anzutreffen ist und die Funktionsweise der Politik mitunter maßgeblich beeinflusst. Diese Verurteilung politischer Fragen bzw. der Politik selbst, die unter anderem aus der Ausweitung des modernen Verfassungsmodells, tiefgreifenden Veränderungen sozialer Verhaltensmuster und dem Aufstieg der neoliberalen politischen Philosophie in den letzten Jahrzehnten resultiert, zeigt sich besonders deutlich bei Gerichten, die Verfassungsgerichte sind. Diese prüfen primär die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, die im modernen Konstitutionalismus als Ausdruck des Gemeinwillens und als Antwort auf allgemeine politische und soziale Fragen verstanden werden. Verfassungsgerichte sind daher – per definitionem – mit politischen Fragen konfrontiert, die oft von Natur aus kontrovers sind. Dies hat zu verstärkten Debatten darüber geführt, welche Bedeutung diese Gerichte für die Politik und die Verfassung haben...