Politika touhy – Lišková Kateřina (2023)

Die Geschichte verläuft manchmal rückwärts. Selbst in Bezug auf Sexualität. Die sexuelle Revolution wird gemeinhin mit den 1960er Jahren, der Frauen- und Bürgerrechtsbewegung – und dem Westen – in Verbindung gebracht. Doch eines der fortschrittlichsten Länder in Bezug auf Sexualität nach dem Zweiten Weltkrieg war die kommunistische Tschechoslowakei. Die Legalisierung von Abtreibung und die Entkriminalisierung von Homosexualität erfolgten nicht aufgrund von bürgerlichem Druck, sondern unter der Aufsicht von Sexualwissenschaftlern, Psychologen und Demografen, die unter fachlicher Anleitung eine egalitäre Gesellschaft schaffen wollten. Dieses Gesellschaftsprojekt endete mit dem Einsetzen der Normalisierung, und die Fortschritte hinsichtlich der Geschlechterrollen und der Sexualitätskonzepte begannen sich sogar umzukehren: Frauen sollten im späten tschechoslowakischen Sozialismus in erster Linie fürsorgliche Mütter und Ehefrauen sein, und Sex sollte hauptsächlich als Würze für das geregelte Eheleben dienen. Die Politik des Begehrens erzählt eine faszinierende Geschichte der Entstehung von Sexualität, Familie und Orgasmus aus der unerwarteten Perspektive einer von oben verordneten sozialistischen Führung. Eine Geschichte, die sich in den Körpern, der Kultur und der Politik der Tschechen fortsetzt.