Román a dějiny – Barša Pavel (2022)

Diskussionen über das Wesen des Romans gehören nicht der Vergangenheit an. Im Gegenteil, sie bieten Raum für Überlegungen zur Gegenwart. Die Klima- und Coronavirus-Krise haben neben ihren unmittelbaren, buchstäblich physischen Auswirkungen eine überraschende philosophische Konsequenz: Wie können wir gemeinsame politische Zukunftsvisionen gestalten in einer Welt, in der jede private Entscheidung den Planeten oder die öffentliche Gesundheit beeinflusst? So wie die revolutionären Narrative des 20. Jahrhunderts – Faschismus und Kommunismus – durch ihre eigene tragische Verwirklichung begraben wurden, wird auch der neoliberale Glaube an einen unbegrenzten Markt und die Freiheit des Einzelnen durch die begrenzten Kapazitäten des Planeten und die wiederentdeckte Zerbrechlichkeit der menschlichen Gesundheit untergraben. Unbelebte Dinge und der Tod sind in die Politik eingezogen. Die Legitimierung revolutionärer und liberaler Ideologien in den letzten zwei Jahrhunderten hat eine Schlüsselrolle dabei gespielt, wie individuelle und kollektive Erzählungen miteinander verknüpft werden – ein Aspekt, der auch im Zentrum von Milan Kunderas Überlegungen zum Roman steht. Kundera greift auf Hegelsche Konzepte zurück, die der Philosoph György Lukács für die Bedürfnisse der kommunistischen Ideologie adaptierte. Für die Bewältigung der heutigen politischen Herausforderungen eignen sich jedoch die antihegelianischen Konzepte des Romans und der Historizität, wie sie von Michail M. Bachtin und Erich Auerbach formuliert wurden, besser.